Elf Monate

9. Mai 2024

Klar, ich würde gern im Sonnenlicht sitzen und Zeit vergeuden. Nichts tun. Faulenzen. Aber das geht nicht. Der Sohn ist inzwischen elf Monate alt und braucht mich; er braucht uns. Ich habe Elternzeit, weitere sechs Monate, und ich kümmere mich um ihn. Wir gehen zum Baby-Turnen oder durchstreifen den Wald – also ich gehe, während er friedlich in der Trage an meiner Brust schlummert. Wenn ich draußen meine Runden drehe, sehe ich nur Mütter, die Kinderwagen durch die Gegend schieben, nebenbei Sprachnachrichten ins Telefon diktieren oder am Kaffee nippen. Da ist kein Mann zu sehen. Nicht einer. Da bin nur ich. Auf dem Spielplatz ist gelegentlich einer zu sehen, aber eher nachmittags, nach Feierabend, nicht am Morgen.

Die Frauen bilden Banden und gehen zu sechst spazieren. Sechs Frauen mit sechs Kinderwagen. Wie eine Karawane ziehen sie durch den Stadtteil. Dass alle Babys gleichzeitig schlafen – ein Wunder. Auch, dass sie im Kinderwagen schlafen. Das macht unser Sohn nie, der schläft tagsüber nur in der Trage oder zu Hause im Bett. Wir alle haben unsere Strategien entwickelt, irgendwie klappt das. Wir können natürlich nicht machen, was wir wollen. Andere können das: Die liegen am Strand am anderen Ende der Welt und leben dieses sinnlose Leben ohne Last.

Liebe Jesus, grüß die Toten

27. März 2024

Bald ist Ostern. Deshalb gibt es beim Bio-Bäcker süße Osterhasen zu kaufen, also Gebäck in jener Form. Die Frau vor mir, sie stellt viele Fragen zu dem Produkt: Wie lange es halten würde und welche Zutaten es enthielt. Die Verkäuferin erläutert geduldig, während ich genervt in meinem linken Auge herumwühle – auf der Fahrradfahrt hierher war mir ein Getier ins Auge geflogen, dort ist es nun drin; am Augapfel klebt es. Ich hasse das. Es ist ein Ritual, auf dem Weg nach Hause bei dieser Bäckerei anzuhalten, um Brot oder Brötchen zu erwerben sowie das ein oder andere Teilchen. Das ist doch ein normales Verhalten, sehr erwachsen, nicht wahr?

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Laufen, nicht laufen

22. März 2024

Dinge ändern sich: Früher bin ich nach Feierabend gern gelaufen, zehn Kilometer, danach duschen, essen und einen Film schauen. Das war herrlich, im Sommer, aber auch im Winter. Das herrliche Gefühl danach. Das Joggen war während des Studiums am einfachsten: Ich konnte viel laufen, alle zwei Tage, mindestens zehn Kilometer, gern mehr. Durch den Wald, quer durch die Stadt, am Wasser entlang, die Landstraße hoch und wieder runter, durch die kalte Dunkelheit oder in der hochsommerlichen Hitze. Im Gegenwind. Mit Rückenwind.

Momentan jogge ich nicht, laufe nicht, sondern gehe höchstens zügig spazieren. Müsste mal wieder anfangen, weil es mir Spaß macht, das Laufen. Aber es gibt viel zu tun, seit der Sohn da ist, seitdem ich arbeite. Nach Feierabend zu laufen, war nie leicht; manchmal war es dringend nötig und der perfekte Ausgleich zum Brainfuck und zur starren Erwerbsarbeit, die leider viel vor dem Computer stattfindet. Dinge ändern sich, manchmal zum Schlechten.

Kippen aufm Spielplatz

25. Februar 2024 · Spielplatz

Das erste Mal auf dem Spielplatz: Der Sohn ist eigentlich zu jung dafür, er kann ja nicht einmal laufen. Oder stehen. Wir sind trotzdem hier.

Eben noch beim Bäcker einen mittelmäßigen Cappuccino gekauft, der mir die ganze Zunge verbrannt hat – viel zu heiß, schmeckt leider nicht. Ein seltsamer Mann dreht seine Runden, umrundet rauchend den Spielplatz. Langsam. Schlurfend. Er hat kein Kind dabei, nur seine Zigarette und einen abgewetzten Anorak. Im Rindenmulch liegen Kippenreste – immerhin keine Spritzen. Nur ein paar rote Gummibären. Der Sohn will das alles essen, aber er darf nicht.

Männer spielen Fußball im Käfig, sie bolzen gegen Kinder. Andere Männer schubsen an, bei den Schaukeln. Höher, immer höher. Mädchen kreischen, Jungs fallen hin. Das wird bald unsere Welt sein, aber heute sind wir zu früh dran, der Sohn weiß nicht, was er tun soll, tun kann; er krabbelt dann immerhin über die Wiese. Da liegen auch Kippenstummel herum. Anbei sitzen zwei Männer auf der Mauer, sie sitzen auf Pappen, damit ihre Ärsche nicht frieren. Sie sind zum Saufen hier, plopp, die erste Bierflasche geht auf. Na dann: Prost!

Es fällt Regen auf die Stadt und wir gehen wieder, verlassen diese Welt, lassen sie hinter uns, vorbei noch an der Pommes- und Burgerbude, die gleich neben dem Spielplatz steht. Eltern müssen dem kleinen Leander erklären, dass er keine Pommes darf, sondern die mitgebrachten Brokkoliröschen essen muss.

Sylt im Sprühregen

24. Februar 2024 · Westerland

Im ICE nach Hamburg, dort dann umsteigen in den IC 2310 nach Westerland. Im zweiten Zug haben wir ein Kinderabteil nur für uns – meine Frau und ich mit unserem lieben Sohn. Er kann da herumkrabbeln, spielen und laufen lernen. Wir haben sechs Sitze für uns und können die Schiebetür schließen. Besser als die erste Klasse – allerdings gibt es keinen Kaffee an Bord, also steige ich in Niebüll aus, laufe den Zug entlang und kaufe Kaffee im Bahnhof: einen mittelmäßigen Cappuccino, der mich immerhin wach hält. Der Verkäufer will mir noch ein süßes Teilchen andrehen, aber ich verzichte. Kenn ich so auch nicht von mir. In Westerland angekommen, laufen wir zur Unterkunft, zur Ferienwohnung. Der ganze Ort besteht scheinbar nur aus Ferienwohnungen, die im Winter alle leer stehen. Unsere Unterkunft ist etwas seltsam: die Schlafzimmer befinden sich im Keller, man kann beim Schlafen also nicht hinausschauen. Draußen wiegt der Wind die Bäume, das Meeresrauschen ist zu hören.

Sylt im Februar. In dieser Woche regnet es immer mal wieder, einen Tag hört es gar nicht mehr auf. Im Regen gehen wir ins Zentrum, essen Pizza in der L’Osteria; der Sohn isst Brei im Hochstuhl. Es sind für uns das erste Mal, dass wir den Sohn im Restaurant mit Brei füttern. Zuvor immer die bange Frage, ob sie wohl einen Hochstuhl haben werden. Hatten sie alle, nur Wickeltische gab es nicht überall. Mit dem Bus erkunden wir die Insel, dank Deutschlandticket müssen wir keine Fahrkarten mehr kaufen. Als wir im Januar 2023 auf Sylt entspannten, mussten wir zunächst die erstaunlich vielen Tarifzonen studieren und zu viel Geld für Tickets zahlen. Wir fahren nach Hörnum (essen im Straend), nach Rantum und nach Keitum. List und Kampen lassen wir dieses Mal aus.

Im Kontorhaus sind wir sozusagen leichtsinnig: Gehen mit dem Sohn (acht Monate ist er alt) in den Ruheraum, wo sie Tee, Sandwiches, Scones, Shortbread und Kuchen servieren. Ein schöner Ort, im Hintergrund läuft Jazz. Hier verweilen Lehrerpaare und sind weird, hier verweilen Vogelliebhaber, die mit dem Fernglas am Tisch am Fenster sitzen und (hoffentlich) Vögel beobachten, oder die Schafe auf der Wiese. Da sind ältere Herrschaften, die nicht gern sehen, dass unser Sohn auf dem Ledersofa herumklettert. Wir fühlen uns trotzdem sehr wohl, das liegt an der lieben Art der Bedienung. Unser Sohn lächelt und winkt den anderen Besuchern zu, Herzen schmelzen. Nur einige Männer haben kalte Herzen, sie starren regungslos ins Nichts. Ich mampfe Shortbread und trinke japanischen Tee (Benifuuki), während der Sohn den Teppich genau untersucht. Zwischendurch habe ich aber das Verlangen, laut zu brüllen, weil es hier so verdammt still und friedlich ist, weil sich die Menschen so gewählt ausdrücken – ich will schreiben: «Fuck you all!». Lasse es aber sein und schlürfe summend den köstlichen Tee, der pro Kännchen ausgedachte 8,20 Euro kostet. Danach wieder raus, wir gehen zu Fuß nach Haus. Dort ist das Internet so langsam wie 1999, es ist grausam.

In Rantum ist es sinnvoll, zuerst bei Abby’s eine Brezel zu essen; die kostet aber 12 Euro (sic). Eine Mikrowelle haben sie dort nicht, da alle Speisen selbst gekocht werden, argumentiert der mutmaßliche Chef, als wir ihn fragen, ob er den Brei für den Sohn aufwärmen könne. Nach Cappuccino und Mandelkuchen machen wir einen Spaziergang rüber zur Sylter Kaffeerösterei, wo ich einen Flat White trinke und Florentiner vernasche. Anschließend laufen wir noch ein Stück weiter gen Norden und steigen an der Jugendherberge Dikjen-Deel wieder in den Bus ein. So bekommt man den Tag gut herum, allerdings meldet sich abends der Hunger, die Brezel hält nicht lange satt. Unsere Unterkunft hat komischerweise keinen Ofen – wie gern hätte ich eine ehrenlose Dr. Oetker verdrückt.

Acht Monate

5. Februar 2024

Unser Sohn ist nun fast acht Monate alt, und tatsächlich ist es echt anstrengend, ein Baby zu haben. Auch schön und erfüllend, na klar, aber auch: kräftezehrend. Dieses Gefühl, dass wir uns täglich kümmern müssen. Es gibt kein Wochenende, keine Auszeit, keinen Urlaub. Der Sohn ist immer da, morgens bis abends, 24 Stunden lang – und wir sind für ihn verantwortlich, niemand sonst. Vielleicht noch der Staubsauger, den liebt er nämlich, wir wissen nicht, warum. Da sitzt unser Sohn also und lächelt und lacht und gluckst. Er soll das beste Leben haben.

Der Sohn mampft vergnügt, macht Quatsch

Wenn ich die jungen Nachbarn über uns saugen höre, denke ich: Was tut ihr hier? Ihr könnt jetzt überall sein, ihr könnt machen, was ihr wollt – sogleich zum Flughafen fahren und ins nächste Flugzeug steigen und ans Ende der Welt fliegen. Oder wenigstens nach Mallorca und dort herumlungern. Wir hingegen sind hier und bereiten das Frühstück zu, das Mittagessen, das Abendessen. Jede Mahlzeit dauert eine Stunde, anderthalb Stunden. Der Sohn mampft vergnügt, macht Quatsch, wirft den Löffel auf den Boden (und noch einmal und noch einmal und noch einmal). Oder er zermatscht die Süßkartoffel zu einem Brei. Schleudert die Zucchini durch die Luft. Sein Tripp-Trapp sieht nach dem Essen aus, als hätte dort eine Schlacht stattgefunden. Ein Krieg zwischen Minimenschen, die sich mit Süßkartoffeln bewerfen. Lebt dieses seltsame Volk der kleinen Menschen hinter den Regalen? Wer ist ihre Königin – verstehen sie unsere Sprache? Können wir die kleinen Menschen überhaupt hören? Ist unser Sohn ihr neuer Gott?

Irgendwie habe ich Lust, Simpsons zu gucken. Aber das geht jetzt nicht, denn er Sohn steht neben dem Staubsauger – steht auf dem Staubsauger, liegt neben dem Staubsauger. Er würde so gern laufen und wenigstens stehen; er kann immerhin krabbeln und sitzen. Hat er schnell gelernt, er ist keiner, der nur herumliegt, auf dem Rücken, und die Decke anstarrt – er ist an der Decke, rennt da lang, wie Spider Pig. So wird es kommen, dass er eines Tages die Wände hochgeht. So agil ist er, so aktiv. Keine Pause, er räumt den nächsten Karton aus. Abends, wenn er schläft, ist immerhin Pause: Dann schauen wir The Bear oder Atlanta oder Oderbruch oder IBES. Oder wir glotzen auf kleine Displays. Ich träume, wie ich auf den Sohn aufpasse. Pass auf, schau her! Und morgens geht alles wieder von vorn los: Frühstück, krabbeln, lachen.

Jetzt brabbelt er ganz niedlich, wir hören «Babababa!» durch die Wohnung hallen. Hinten räumt er die Garderobe ab. Herrlich. Schön. Anstrengend. Wie gesagt. Acht Monate, wie im Flug – ein Flug ans Ende der Welt.

Murakami kaufen

12. Januar 2024

Das neue Jahr beginnt mit neuem Lesestoff: Als Murakami-Ultra bin ich heute natürlich in den Buchladen gelaufen, um den neuen Roman vom japanischen Kultautor zu erwerben. «Die Stadt und ihre ungewisse Mauer» heißt er. Als ich den Laden betrat, begrüßte mich sofort eine Buchhändlerin, die sozusagen hinter der Tür auf Kunden lauerte. Diese aggressive Freundlichkeit mag ich nicht, offen gesagt, ich bin lieber der stille Kunde, der in Ruhe das Sortiment begutachtet – ich komme schon alleine klar.

«Ich schaue erst mal», sagte ich, und die Verkäuferin ließ widerwillig von mir ab, kehrte zu ihrem Versteck hinter der Tür zurück, um mich gewissenhaft im Auge zu behalten. Das gesuchte Buch stand im Regal mit den Neuerscheinungen, ich freute mich kurz, ehe prompt die Ernüchterung erfolgte. Die Seitenränder des Buches waren beschmutzt, schwarze Flecken ruinierten den Gesamteindruck. Was Bücher angeht, bin ich leider ein anstrengender Pedant. Und schließlich kostet dieser Roman 34 Euro, das sind fast zehntausend Mark. Dafür verlange ich ein einwandfreies Exemplar. So what?

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Vorweihnachtseinkauf

23. Dezember 2023

Am 23. Dezember noch schnell in den Supermarkt zu gehen – das ist so «eine Art Tradition», die ich seit Jahren pflege. Denn irgendwas fehlt immer, zum Beispiel TK-Croissants oder eine Milch. Also hin zu Rewe, rein da und los. Zunächst einen Korb organisieren, die sind alle weg, stehen gestapelt an der Kasse – der schiefe Turm von Rewe.

Es ist dann erstaunlich leer im Markt, nur wenige Leute streifen durch die Gänge, vorwiegend junge Leute, die noch Rotkohl (im Glas) benötigen oder Pizzen (für den Notfall). Ich kann mich nicht erwachsen fühlen, solange ich nicht mit meinem SUV einige Tage vor dem Fest zum großen Edeka fahre und alles erwerbe, was man eben braucht, um lebend über die Weihnachtstage zu kommen. Der SUV wäre von Ford und ich würde dieses Autos hassen, weil es nur Probleme verursachen würde und ich nie einen Parkplatz fände. Ich hätte eine lange Einkaufsliste dabei, die ich dann abarbeiten würde. Zöge eine Nummer an der Käsetheke. Anschließend zurück in unser Reihenmittelhaus am Rande der Stadt.

Dieses Jahr benötige ich Croissants zum Aufbacken, die sind leicht zu finden. Ich kaufe noch dies und das – ich renne doch nicht wegen einer einzigen Sache durch den Supermarkt! An der Kasse sind sie dann, die vielen Leute, sie stehen alle an. Das ist Weihnachten! Ich habe Glück: Eine zweite Kasse öffnet, ich rüber da und den Kram aufs Band ballern, piep, piep, Payback? – Ne. Ciao! Draußen fällt ein leichter Regen auf den Asphalt.

Ein Alman als Ehemann

14. Dezember 2023

In der U-Bahn diskutieren vier Mädchen darüber, ob sie einen Deutschen heiraten würden. Ne, eher nicht, lautet die einhellige Meinung. Daneben sitzen zwei Frauen am Fenster, eine alte und eine mittelalte Frau, sie machen nichts und hören dem Gespräch interessiert zu. Belauschen die Mädchen. Sie wirken leicht irritiert oder so, vielleicht belustigt – ich kann es nicht genau erkennen, die Gesichter sind schlecht beleuchtet. Die Bahn ist alt, sie rumpelt seit fast fünfzig Jahren durch die Stadt.

Dann aber erklärt eines der Mädchen, dass ihre Tante einen Deutschen geheiratet habe – und dieser Mann sei «sehr sozial», lobt sie. Die anderen Mädchen nicken: Stimmt, Deutsche sind sozialer als andere, finden sie. Die Kartoffeln, die Almans. Und doch gibt es zahlreiche Gründe, die gegen deutsche Ehemänner sprechen, das ist völlig klar. Leider muss ich dann aussteigen, werde also nie erfahren, ob die Mädchen zu einem Fazit gekommen sind.

Sinnloses Verschieben

14. November 2023

Als ich vor zwanzig Jahren ein zweiwöchiges Schulpraktikum in einer kleinen Webdesign-Agentur absolvierte, saß ich die meiste Zeit auf meinem Schreibtischstuhl und starrte auf den Bildschirm, schaute aus dem Fenster und ging um 17 Uhr wieder nach Hause. Es war Winter, es war dunkel, es war grau und trostlos. Das war meine Welt. Sie reichte nicht weit.

Es war dunkel, grau und trostlos

Meine Aufgabe bestand eines Tages darin, Dateien auf dem Server von einem in den anderen Ordner zu verschieben, tausende Dateien waren das. Eine Aufgabe für zwei Arbeitstage. Grotesk langweilig, stupide und geistig lähmend. Keine Aufgabe für einen Menschen, sondern für ein Skript, für ein Tool, für Software. Es war dämlich und ich hasste diese zwei Wochen in der Webdesign-Agentur unendlich, behauptete gegenüber Frau Wesche-Brockmann aber, dass dieses Praktikum «ganz gut» sei. Immerhin gab es an einem Freitag Rotwein, den die Kollegin aus Moldawien mitgebracht hatte.

Meine Lehrerin mochte mich nicht – und ich mochte sie nicht, und da saß sie mir gegenüber an diesem Schreibtisch in der Webdesign-Bude, deren Büros sich in einem schmucklosen Gebäude befanden, das auf einem Feld stand. Da wehte stets der kalte Wind über das Land. Frau Wesche-B. machte Kontrollbesuche, prüfte, ob wir auch wirklich ein Praktikum machten – und nicht heimlich zu Hause blieben und Playstation spielten. Ich kam brav jeden Tag mit dem Rad in die Firma, fuhr durch die eisige Kälte, immer gegen den Wind strampelnd. Wie glücklich ich war, als ich abends aus dem Gebäude trat und mein Fahrradschloss aufschloss und wegfuhr. Feierabend: ein köstliches Gefühl, besonders betrunken am Freitag.

Ich musste an dieses Praktikum denken, als neulich ich neulich eine Aufgabe erledigen sollte, die ich als völlig sinnlos empfand. Da fiel mir wieder ein, wie ich vor zwanzig Jahren in diesem trostlosen Gebäude saß und Dateien von einem in den anderen Ordner verschob, tausende Dateien, die nach Feierabend wahrscheinlich gelöscht wurden. Manchmal fühlt sich das Leben so an wie damals an diesen Tagen, als der Wind kalt über die dunkle Erde wehte.